Durch Schmerz und Zerbruch nach Hause kommen – Bericht einer Kinderwunschreise
Von Kathrin Bandl.
Wenn ich auf meine bisherige Kinderwunschreise zurückblicke, füllt sich mein Herz mit Dankbarkeit. Ich sehe eine Zeit die so wertvoll und heilsam war, dass ich ehrlich sagen kann – ich würde nichts daran ändern. Denn bei Gott ist nichts vergebens und keine Träne vergeudet. Doch bis zu diesem Punkt, war es ein steiniger Weg.
Die Diagnose „unfruchtbar“ kam für mich nicht überraschend. Ein paar Jahre zuvor hatte mir Gott Kinder zugesagt und nachdem ich monatelang nicht schwanger wurde, begann ich zu ahnen warum. Trotzdem schlug die Tatsache in eine Wunde meiner Seele, die bereits durch Verletzungen der Vergangenheit sehr tief war. Ich fühlte mich kaputt. Unbrauchbar. Wer war ich, wenn ich nicht einmal das Natürlichste auf der Welt zustande brachte? Mittlerweile weiß ich, dass viele Frauen in einer schwierigen Kinderwunschzeit mit solchen Gedanken kämpfen. Es ist unsere Identität als Frau die besonders angegriffen ist, wenn alle um uns herum scheinbar mühelos Mutter werden. Ich fühlte mich betrogen, von meinem Körper, von dem was ich bisher über das Kinderkriegen gelernt hatte. Und doch war ich fast erleichtert, als wir in der Kinderwunschklinik eine Lösung fanden, denn endlich konnte ich etwas tun und nicht nur Monat für Monat ins Blaue hoffen.
Der erste Behandlungszyklus begann sofort nach der Diagnose und obwohl ich sehr zuversichtlich war, spürte ich bald, dass mir alles zu viel wurde. Ich hatte mir keine Zeit genommen, die Diagnose und was es für uns bedeutete zu verarbeiten. Ich hatte mir keine Zeit genommen zu betrauern, was uns dadurch verwehrt wurde, selbst wenn es sofort klappen würde. Eine Kinderwunschbehandlung ist keine schöne, intime Sache zwischen Mann und Frau. Es gibt keine süße Überraschung, keine Leichtigkeit. Sie ist Unsicherheit und Schmerzen. Sie ist Hoffen und Bangen und schlaflose Nächte. Sie ist viele Untersuchungen, vage Erklärungen und Ohnmacht. Sie ist nichts was man sich erträumt, wenn man den Entschluss fasst, Kinder zu bekommen.
Der erste Versuch verlief dementsprechend schlecht. Aufgrund der hohen Hormondosis ging es mir physisch und psychisch nicht gut. Das negative Ergebnis war also kein Wunder. Dennoch fiel ich in ein Loch. Ich hatte so gehofft, schließlich hatte ich auf Gottes Zusage gebaut. Warum musste ich das alles durchmachen? Warum konnte Gott mich nicht einfach heilen?
Seine Zusage von damals war ein Trost und doch haderte ich mit dem Weg den ich gehen sollte. Abermals rappelte ich mich auf. Beschloss Gott zu vertrauen und hoffnungsvoll in die Zukunft zu sehen.
Ein paar Monate später war ich soweit, den zweiten Versuch zu wagen. Auf dem Weg zum ersten Termin brach ich vor Gott in Tränen aus. Die gesamte Prozedur ging von vorne los, wie sollte ich das überstehen? Ich wollte das alles nicht, warum wollte Gott mich nicht einfach heilen?
Wieder antwortete mir Gott und tatsächlich war dieses Mal alles anders. Ich spürte eine Leichtigkeit und tiefen Frieden, die ganze Behandlung hindurch. Die Hormone machten mir kaum etwas aus. Ich war guter Dinge. Alles verlief super – bis zur Punktion. Etwas ging schief, ich hatte extrem starke Schmerzen und wurde mitten in der Nacht mit inneren Blutungen ins Krankenhaus verbracht und notoperiert. Noch nie in der Geschichte der Kinderwunschklinik war so etwas vorgekommen. Die Ärzte waren ratlos.
Trotz allem war ich zuversichtlich und 5 Tage nach meiner Operation wurde mir ein perfekter Embryo eingesetzt. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob ich mir Hoffnungen auf ein positives Ergebnis machte, denn ich war so von den Schmerzen eingenommen, aber ich spürte, dass etwas anders war und schließlich war ich überzeugt, dass Gott die Katastrophe zum Guten wenden und uns jetzt endlich dieses Kind schenken würde. Tatsächlich wurde ich schwanger. Nach dem hohen Blutverlust, mit immer noch sehr starken Schmerzen, war es ein Wunder. Endlich war ich schwanger! Doch schon die erste Untersuchung ergab, dass mit dem Baby etwas nicht stimmte. Man gab uns eine 50/50 Chance, dass es doch noch gut ausgehen würde.
Es war Weihnachten und ich klammerte mich mit aller Kraft an der Hoffnung fest. Immer wieder betrachtete ich das Ultraschallbild und googelte Erfahrungsberichte. Meine Gedanken kreisten um nichts anderes als das Baby in meinem Bauch. Gott hatte das Wunder bestimmt nicht geschehen lassen, nur um es uns dann wieder wegzunehmen. Für andere war es gut ausgegangen, dann würde es für uns erst recht gut ausgehen.
Als wir am 04. Jänner auf dem Weg zur nächsten Untersuchung waren, war ich überzeugt, dass da ein Herzschlag sein würde. Aber ein Blick auf den Monitor reichte, um mir den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Wie eine Schockwelle überrollte mich die Erkenntnis und dann konnte ich nicht mehr aufhören zu weinen. Ich weinte eine Woche lang durch.
Doch selbst danach wollten der Schmerz und die abgrundtiefe Verzweiflung nicht mehr aufhören. Ich hatte eine Zusage für Kinder, aber es gelang mir nicht darin Trost zu finden. Was wenn Gott nicht diese Welt gemeint hatte, sondern meine Kinder erst im Himmel auf mich warten würden?
Hinzu kamen Gedanken der Scham und des Versagens. Ängste, dass mein Mann bedauern könnte, mich geheiratet zu haben. Angst, seine Enttäuschung und seinen Verlust und Schmerz auch noch tragen zu müssen. Ich fühlte mich bestraft, für Dinge die in meiner Vergangenheit geschehen waren und hegte die Überzeugung, dass ich es in den Augen aller Christen verdient hatte. Das Gefühl kaputt zu sein, kam in diesen Wochen zum Höhepunkt. Ich fühlte mich betrogen, war verwirrt und klagte Gott an. Ich begann zu zweifeln, dass ich ihn mit seiner Zusage richtig verstanden hatte, denn ich verstand gar nichts mehr. Etwas zerbrach in mir völlig.
Doch was Zerstörung hätte sein können, wurde in Gottes Händen zu Gold. Im völligen Kapitulieren und im radikal Ehrlichwerden vor ihm und mir selbst, zeigte er mir etwas, das mein Leben für immer verändern würde. Erst an diesem Punkt war ich soweit, dass ich sehen und annehmen konnte, wo Stolz und falsche Gedankenmuster mein Leben bestimmt hatten. Stolz kann keine Gnade annehmen, denn Stolz will es sich verdienen. Stolz nährt Scham. Stolz dreht sich nur um sich selbst. Stolz macht dich zum Mittelpunkt deiner Welt und die Last die damit verbunden ist, ist unerträglich. Stolz versucht das Handeln Gottes zu vorauszusehen und zu steuern. Stolz versucht seinen eigenen Willen durchzusetzen.
Ich erkannte, dass ich eigentlich nicht wusste, wie man aus Gnade lebte. Ach, was ich mir darauf eingebildet hatte, stark zu sein. Ich begriff plötzlich, dass ich im Verdrängen meiner Gefühle, um den Schein zu wahren, eine Mauer um mein Herz gebaut hatte. Ich erkannte, dass ich mich an anderen Menschen ausgerichtet und meine Identität darin gesucht hatte, unfehlbar zu sein. So viele Dinge kamen ans Licht und mitten im Schmerz geschah so viel Heilung und Freisetzung. Nicht von heute auf morgen, sondern in einem Prozess mit vielen Höhen und Tiefen, der noch immer andauert.
Nein, meine Kinderwunschreise war nicht schön oder einfach. Es gab Tage, an denen waren die Verzweiflung und der Schmerz kaum zu ertragen. An anderen Tagen kam ich mit meiner Wut und Trauer vor Gott und habe ihm alles vor die Füße geworfen, doch immer wieder hat mich der Heilige Geist an den Punkt geführt, dass ich sagen konnte, aber ich vertraue dir. Auch wenn ich es nicht verstehe, dein Wille geschehe. Und immer waren das die Zeiten einer Nähe zum Vaterherz, die ich bis dahin nie so innig erlebt habe. Es war eine neue Ebene der Vertrautheit, die in dieser Zeit entstand. Und ich habe gelernt, dass es Gottes Herz ganz besonders berührt, wenn seine Kinder in Zeiten von Schmerz und Verwirrung vertrauensvoll und ehrlich zu ihm kommen, ihr Herz vor ihm ausschütten und trotz allem sagen: Aber ich vertraue dir.
Und plötzlich verstand ich, was Gott meint, wenn er in der Bibel sagt, dass alles zum Besten dient, denen die Gott lieben, dass für diejenigen die ihre Stärke in ihm suchen, Quellen in den Tälern hervorbrechen.
Immer wieder habe ich ihn gefragt, warum heilst du mich nicht einfach und eines Tages antwortete er mir: Aber das habe ich doch getan. Und ich wusste, dass er mein Herz meint. Und ich war so dankbar. Für diese Freiheit und die Freude und für die Gnade die mein Leben völlig veränderte. Ich bin in dieser Zeit bei mir selbst angekommen. Gott hat mich durch Schmerz und Zerbruch hindurch nach Hause geführt.
Ein paar Monate danach, beim dritten Versuch, wurde ich mit Zwillingen schwanger. Heute bin ich Mama von einem süßen Jungen. Und auch wenn nicht alles so gekommen ist, wie ich es mir gewünscht habe, bin ich unendlich dankbar. Ich weiß nicht, wie unsere Kinderwunschreise weitergeht, aber ich halte an der Hoffnung fest, dass egal wie es kommt, Gott uns segnen wird. Er ist gut. Immer.
Kathrin Bandl ist Mama von bisher einem Erdenkind und zwei Himmelskindern. Auf ihrem Instagram Account @newday.newgrace schreibt sie über ihren Alltag und Gottes Gnade.
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