Geburtsbericht von Anni

Von Anni.

23.10. – es ist Abend und ich beschließe, dass ich etwas gegen die Ungeduld tun muss. Es sind noch drei Tage bis zum Termin, aber ich werde jetzt einfach davon ausgehen, dass unser Mädchen erst im November zur Welt kommen wird.

In den letzten Wochen habe ich mir oft Gedanken über die Geburt gemacht. Ich freue mich darauf und hab richtig Lust zu starten. Ich will erleben, was ich bei der Hausgeburt einer Freundin gesehen hatte: dass ich zu viel mehr imstande bin, als ich denke und dass Gott meinen Körper für Geburt ausgestattet hat. Außerdem habe ich in mein Gebetsbuch ganz konkret aufgeschrieben, was ich mir für die Geburt erbete & glaube:

„Dass ich es weiß, wenn es wirklich losgeht. Wirksame Kontraktionen, die den Muttermund schnell öffnen (5h), Ruhe & Frieden, Freude aneinander und am Geschehen, Gute Herztöne unter der Geburt, viel Ruhe, Kraft und intuitiv richtige Handlungen für unsere Tochter, ...“

Ich gehe schlafen.

Um 5:45 wache ich mit einer dieser Vorwehen auf, die ich auch zuvor schon gehabt hatte - nicht schmerzhaft aber intensiv und erwähnenswert. Schon bald sind es aber nicht mehr 10 Minuten Abstände: 8, 8, 6, 7, 4, 5, 7 Minuten. Im Liegen wird es ungemütlich, gegen 6:30 wecke ich P. Wir schauen uns die Liste mit den Dingen an, die vor der Geburt noch erledigt werden müssen: einkaufen: nein, brötchen holen: wer braucht brötchen? saugen: egal, … wirklich wichtig sind andere Sachen. Duschen zum Beispiel.

7:00 bin ich also unter der Dusche und muss mich ständig an der Stange festhalten, um die Wehen zu veratmen - sie kommen etwa alle 3–4 Minuten und sind viel intensiver als die Vorwehen. Auf Empfehlung meiner Hebamme hin will ich noch ein Dampfbad machen, um den Beckenboden zu entspannen - doch wegen der Wehen, die alle drei Minuten kommen, wird das schnell abgebrochen.

Es ist 7:34 und wir rufen Hebamme M. an. Wir sollen den Geburtspool schon mal aufbauen, sie sei in 45 Minuten da.

Um beschäftigt zu sein, beginne ich die Kiste für die Geburt zu packen: Handtücher, Zewa, Schüssel, Mülltüten, mehr schaffe ich nicht mehr - die Wehen kommen in kurzen Abständen und stark.

P. versucht so schnell er kann alles aufzubauen. Als mir übel wird streicht er mir nur kurz über den Kopf aber hat keine Wahl als weiter so schnell er kann den Pool aufzubauen. Als ich dann über den Flur zu ihm laufe, stoße ich aus Versehen mit dem Fuß gegen den Schlauch und das Wasser spritzt einmal über Fernseher, XBox und co. Jetzt muss er auch noch sauber machen.

8:15 – die Hebamme ist da und inzwischen weiß ich auch, wie so ein Schleimpfropf wirklich aussieht.

Ich werde untersucht und bekomme die erleichternde Botschaft: der Muttermund ist bis auf einen kleinen Saum ganz geöffnet.

Das Baby scheint aber noch mit dem Rücken an meinem Rücken zu liegen - der Kopf ist noch nicht fest im Becken – ich soll mich auf die rechte Seite legen. Endlich kann auch P mir mit den Wehen helfen – nur in den Pausen versucht er noch ein paar Sachen bereit zu machen.

Ab hier ist meine Erinnerung verschwommen, die Wehen nehmen mich ganz ein und gleichzeitig bleibt ein kleiner Teil meines Denkens immer klar und denkt über dies und jenes nach.

Nach einer Weile scheint das Baby sich weit genug gedreht zu haben und ich darf in den Pool - es ist kurz nach neun. Ich spüre bei den Wehen einen Druck und darf anfangen mitzupressen. Die Fruchtblase platzt.

Ab jetzt übernimmt mein Körper die Kontrolle, um mit den immer heftigeren Presswehen umgehen zu können. Ich wechsle immer wieder mal die Position, knien, hocken, breitbeinig sitzen. Auch wenn ich es mir nicht zugetraut hätte – ich bin laut, sehr laut.

Ich brauche immer etwas zum Greifen – im Sitzen sind es die Poolgriffe, ansonsten immer P.s Hände – viele mehr kann er nicht für mich tun aber das ist genug.

Hebamme M. sagt ganz oft, dass ich vertrauen darf. Das ist das beste, was sie sagen kann und das einzige, das mir hängen geblieben ist. Außerdem untersucht sie mich manchmal, um die Lage des Babys zu überprüfen. Es würde sich irgendwie anders durchs Becken arbeiten aber es würde es gut machen. Auch die Herztöne sind zu keinem Zeitpunkt besorgniserregend.

Die Presswehen dauern schon ganz schön lange an – ich merke es auch beim Blick auf die Uhr, mache mir aber keine Gedanken darüber. Irgendwann kann man endlich ihren Kopf sehen, oft rutscht er in der Wehenpause aber wieder zurück.

Die Presswehen sind heftig, es ist wirklich eine Grenzerfahrung und bringt in mir Kräfte hervor, von denen ich nie dachte, dass ich sie haben könnte.

Irgendwann sagt Hebamme M., sie müsse mich bald aus dem Wasser rausholen – die Kleine wäre jetzt schon lange im Becken.

Ich will nicht, dass es dazu kommen muss und mobilisiere in einer letzten Wehe alle meine Kräfte. Mit drei Mal pressen bringe ich unser Kind zur Welt: erst der Kopf, dann die Schultern, schließlich der Körper. Plötzlich liegt sie unter mir im Wasser, Gesicht nach oben, die Augen sind geöffnet. Eine kleine Sternguckerin.

Ich setze mich nach hinten und nehme sie aus dem Wasser in meinen Arm. Ich bin völlig überrumpelt und kann nur sagen „Das kann doch gar nicht sein. Das kann doch nicht sein.“ Es ist 11:24.

Ich kann nicht glauben, dass dieses Kind nun in meinem Arm ist. P kniet hinter mir. Der Moment ist so unreal und ich kann mich kaum an Worte oder Gedanken erinnern. Sie schreit schon bald aber nur kurz, ihr werden warme Handtücher umgelegt, sie ist schon ganz rosig und ihr Kopf unverformt. Da ist keine Käseschmiere an ihrem Körper aber ganz viele dunkle Haare auf ihrem Kopf. Und lange Fingernägel hat sie. Das sind die ersten Dinge, die mir auffallen.

Schnell färbt sich das Wasser rot: die Plazenta hat sich gelöst. Weil sie aber noch etwas festhängt, darf P die weißgewordene Nabelschnur durchschneiden und nimmt unsere Tochter auf den Arm. Hebamme M. hilft mir aus dem Pool und nach einer Weile ist dann auch die Plazenta da.

Währenddessen liegt unsere Tochter wieder auf meiner Brust und macht sich auf die Suche nach Milch. Sie ist ganz wach und unternimmt bald die ersten Trinkversuche.

Während meine Geburtsverletzungen versorgt werden ist P schon fleißig. Er lässt das Wasser aus dem Pool, sammelt allen Müll zusammen und tut alles, um so schnell wie möglich alle Spuren zu beseitigen. Außerdem bringt er mir etwas Süßes und versorgt mich mit Cola und Wasser für meinen Kreislauf.

Unsere Tochter ist mittlerweile zwei Stunden alt und ich schicke unseren Familien ein erstes Bild.

Bevor Hebamme M uns erst einmal alleine lässt, wird unsere Tochter noch gewogen, gemessen und abgetastet. 51cm ist sie lang, hat einen Kopfumfang von 34cm und ist 3600g schwer. Und gut geht es ihr. Ihr Apgar-Wert war schon direkt nach der Geburt 10 gewesen.

Und dann sind wir zu dritt.

Als ich mir im Nachhinein die Liste der Dinge anschaue, die ich mir für die Geburt erbeten habe, fällt mir voller Dankbarkeit auf: Gott hat sie alle übertroffen!

 

Du möchtest auch ein Zeugnis zur Ermutigung für andere geben? Wir freuen uns, von dir zu hören!

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Bis einer heult