Mit meiner Wut unterwegs

Von Elena Huger.

Wenn der Tag erst eine Stunde alt ist und die Nerven schon blank liegen

Ein normaler Morgen mit Kindergarten sieht bei uns so aus: Schnell die Kinder anziehen, schnell Essen machen und Vesper richten, schnell ihre Jacken anziehen, schnell den Kinderwagen aus dem Schuppen und dann los. Stellt sich dann noch ein Kind quer und hat ein großen Gefühlsausbruch, weil es nicht will, dass der Trinkbecher in den Kindergartenrucksack gesteckt wird, bin ich meistens am Ende. Ich möchte empathisch reagieren und alles richtig machen, aber gleichzeitig spüre ich, wie mir die Zeit wegläuft.

Das ist dann einer dieser Momente: Der Tag ist erst eine Stunde alt, aber die Nerven liegen schon blank. In einigen von diesen Situationen schaffe ich mich zu beherrschen und meine Wut in Schach zu halten, um manchmal dann aber leider doch umso stärker zu explodieren.

Ich wusste, etwas muss sich ändern. Gleichzeitig habe ich über Instagram und Podcasts die bindungsorientierte Erziehung entdeckt, die auf einen Schlag die ganze Sichtweise auf meine Kinder, aber noch viel mehr auf mich selbst und Gott geändert hat.

 

Verantwortung übernehmen

Erstmal musste ich lernen: Meine Kinder sind nicht verantwortlich für meine Emotionen und auch nicht dafür, wie ich mit ihnen umgehe. Das hat auch Auswirkungen auf das Entschuldigen: „Entschuldigung, aber du hast…“ geht dann nicht mehr. Sondern es muss genau benannt werden, für was man die Verantwortung übernimmt und wofür man sich entschuldigt.

 

Wut nicht verteufeln

Ich habe festgestellt, dass die Wut durchaus eine wunderbare Funktion hat: Sie ist eine Kämpferin meiner Bedürfnisse und sie tritt auf zum Schutz, wenn meine Grenzen überschritten wurden. Es geht also nicht darum, sie wegzudrücken, sondern sie zu verstehen lernen: Welche Grenze wurde hier verletzt und welche Emotionen und Gedanken stecken hinter meiner Wut?

Das mag bei jedem unterschiedlich sein. Bei mir sind es oft diese Gedanken, die meiner Wut den Weg ebenen: „Ich bin eine schlimme Mama“ (Schuldgefühl), „Ich kann nicht mehr“ (Überforderung), „Nichts klappt so, wie man es sich vorstellt“ (Gefühl von Fremdbestimmung) oder “Alles muss man selbst machen“ (Einsamkeit).

 

Trigger verstehen

Außerdem stecken oft auch tiefe Verletzungen von früher hinter der Wut. Man spricht davon, dass unsere Kinder uns triggern und dass wir dann mit unseren Kindern Kämpfe von früher ausfechten, ohne es überhaupt zu bemerken.

Wenn bei mir beispielsweise früher oft Grenzen überschritten wurden und ich nicht respektiert wurde, ist es wahrscheinlich, dass mich das respektlose Verhalten der Kinder schnell triggert. Wenn ich getriggert wurde, reagiere ich über und werde wütend. Ich werde mit einem großen Schwall zuvor unterdrückter Emotionen konfrontiert und muss nun lernen, mit ihnen umzugehen.

 

Mir selbst Empathie schenken

Genauso wie es in Gefühlsausbrüchen meinem Kind hilft, wenn ich ihm mit Empathie begegne, ist es auch mit mir. Ich darf mir in meiner Wut sagen: 

Ja, die Situation ist fürchterlich. Ich habe es gerade nicht leicht. Die Kinder sind zwei Wochen lang krank, habe wenig Unterstützung, dafür die volle Verantwortung für kranke Wesen, die dann obendrein noch unausgeglichener sind als sonst. Vielleicht bin ich sogar selbst noch angeschlagen, dann laufen im Hintergrund noch Prozesse wie ein Umzug, eine Kitaeingewöhnung, ein Wiedereinstieg in den Beruf oder ähnlicher…“ Und ich darf zu den einzelnen Gefühlen sagen: „Ja, ich sehe dich.

Dazu passt auch das Jahreslos „Du bist ein Gott der mich sieht.“ (1. Mose 16,13)
Gott sieht alles, alle Zumutung und das große Ganze!

 

Liebe lässt reifen, Verurteilung zerstört

Ich habe festgestellt, wenn ich mich selbst für meine Wut verurteile und denke „Was ist mit mir falsch, dass ich so überreagiere?“ ändert sich mein Verhalten nicht. Und wenn ich die Situation analysiere und überlege, was ich beim nächsten Mal besser machen möchte, versteht das zwar mein Verstand, aber meine Gefühle sind davon vollkommen unbeeindruckt. Ich muss meiner Wut radikale bedingungslose Liebe entgegenbringen:

 „Es ist okay, dass ich wütend bin.
Ich bin bedingungslos geliebt, egal wie fürchterlich ich mich benehme.
Es ist okay, heute wütend zu sein und es war auch okay, damals wütend zu sein.
Es ist schade, dass mir früher Menschen vermittelt haben, ich müsste das Gefühl unterdrücken.“

 Nur unter Liebe und unter einem ganz warmen Blick Gottes kann ich und mein Umgang mit Wut nachreifen. Ich kann das Nachreifen auch nicht erzwingen, sondern ich brauche viel Geduld mit mir selbst.

 

Investiere in Wiederaufbau

Wenn ich nun trotz allen Strategien einmal explodiere, ist es wichtig zu wissen, dass nicht alles kaputt ist, sondern die Bindung zu meinem Kind oder meinem Partner immer wieder aufgebaut und gestärkt werden kann: Den ersten Schritt hin zu ihm machen, gemeinsam darüber sprechen, reflektieren, die Verantwortung für den eigenen Fehler übernehmen, bedauern und entschuldigen. Wer gemeinsam durch Berg und Tal gegangen ist, ist sogar noch stärker verbunden!

 

Eine neue Mission

Beruflich bin ich Designerin und hatte mit der Geburt meiner Kinder begonnen Kinderbücher zu illustrieren. Nachdem ich im letzten Jahr nun auf die bindungsorientierte Erziehung gestoßen war, hatte ich auch große Lust auf ein Kinderbuch mit dieser Thematik.

Und kurzerhand habe ich Marina Hoffmann, einen Elterncoach für bindungsorientierte Erziehung, um eine Kooperation gebeten. Erst war unklar, in welche Richtung das Kinderbuch gehen sollte. Bis mir irgendwann klar wurde, ich muss das machen, wo ich einen persönlichen Schmerz spüre. Da kostet es mich zwar was, aber da habe ich etwas zu sagen.

Entstanden ist dann das Büchlein Mamas Wut wird wieder gut. Es ist ein Bilderbuch sowohl für Eltern als auch für Kinder und enthält einen kleinen Ratgeber-Teil am Ende. Mit dem Büchlein möchte ich auch anderen Eltern helfen, einen guten Umgang mit ihrer Wut zu finden. Außerdem soll das Buch tiefe Gespräche in der Familie eröffnen und zur Versöhnung inspirieren.

 

Drei Dinge mit auf den Weg

  1. Ich bin nicht von heute auf morgen ein anderer Mensch geworden.
    Ich hab natürlich eine bestimmte Persönlichkeit, und hab von Natur aus mit den einen Problemen zu kämpfen, mit anderen weniger. Erwartet daher nicht zu schnell zu viel von euch, sondern seid geduldig mit euch. Aber es gibt Hoffnung! Stück für Stück schaffe ich es nun, liebevoller mit mir selbst und damit auch mit meinen Kindern umzugehen.

  2.  Wenn ihr etwas ändern wollt, macht es auch für euch.
    Natürlich tut ein schlechter Umgang mit euren Gefühlen euren Kindern nicht gut. Aber es schadet auch euch! Denn Gefühle zu unterdrücken macht krank und Gefühle falsch ausdrücken bringt Schuldgefühle.

  3. Viele von uns leiden an zu viel Schuldgefühlen und Selbstabwertung.
    Wenn wir uns blöd verhalten haben, denken wir schnell: „Ich habe versagt/Ich bin schlimm.“ Doch denkt bitte lieber überrascht „Oh, da ist also noch eine Verletzung in mir, die heil werden darf. Da kann ich noch wachsen.“

Ich wünsche mir und euch alles Gute und Gottes reichen Segen auf diesem Weg!

 

Elena Huger ist Designerin und Illustratorin und lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Baden-Württemberg. Ihre Leidenschaft ist es Familien zu ermutigen und Kinder mit ihren Bildern und Geschichten mit Gott in Berührung zu bringen. Folgen kann man ihr bei Instagram und auf ihrer Website.

Das neue Buch von Elena Huger und Marina Hoffmann kannst du direkt hier bei uns im Shop kaufen:

 

Du hast auch etwas zum Thema Kinderwunsch, Schwangerschaft, Geburt oder Elternsein zu sagen? Wir sind immer auf der Suche nach ermutigenden Beiträgen und freuen uns, von dir zu hören!

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